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Brandschutzverglasung – Transparenz trifft Sicherheit

Eine Brandschutzverglasung ist ein komplettes Bauteil, das aus lichtdurchlässigen Glaselementen, einem Rahmen mit Dichtungen sowie Halterungen und Befestigungen besteht. Ziel ist ein definiertes Verhalten im Brandfall: Das System muss für eine bestimmte Zeit den Durchtritt von Flammen, Rauch und (je nach Klasse) Hitzestrahlung verhindern. Die deutsche Norm DIN 4102‑13 unterscheidet zwischen G‑ und F‑Verglasungen. G‑Verglasungen verhindern den Flammen‑ und Rauchdurchtritt, behindern aber nur bedingt die Wärmestrahlung; F‑Verglasungen unterbinden zusätzlich die Hitzestrahlung. In europäischen Normen spricht man statt G von E (Raumabschluss) und statt F von EI (Raumabschluss + Wärmedämmung); die Klasse EW kennzeichnet eine Verglasung mit Raumabschluss und reduzierter Strahlungsdurchlässigkeit.


Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Brandschutzglas als Material und Brandschutzverglasung als System: Erst die Kombination aus Glas, Rahmen, Dichtungen und Befestigungen bildet ein zugelassenes Bauelement. Zahlreiche Prüfungen haben gezeigt, dass ein hochwertiges Brandschutzglas erst in einem bauaufsichtlich zugelassenen Rahmen seine Funktion vollständig entwickeln kann.


Normen, Klassifizierung und Zulassungen


DIN 4102 und nationale Regeln

Die nationale Normenreihe DIN 4102 regelt das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen. Teil 13 beschreibt Begriffe, Anforderungen und Prüfungen für Brandschutzverglasungen. Hier werden G‑ und F‑Verglasungen definiert und die Feuerwiderstandsdauer festgelegt. Für Brandschutzverglasungen gilt zusätzlich DIN 4102‑5 für Feuerschutzabschlüsse und die Einheits‑Temperaturzeitkurve nach DIN EN 1363‑1. Die Norm dient als Grundlage für nationale Zulassungen und wird vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) angewendet. Das DIBt erteilt allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) und allgemeine Bauartgenehmigungen (aBG); beide beziehen sich stets auf das geprüfte Gesamtsystem.


Europäische Klassifizierung nach EN 13501‑2

Für die europaweite Nutzung von Brandschutzverglasungen ist die DIN EN 13501‑2 maßgeblich. Sie definiert die drei Klassen E, EW und EI.

  • E = Raumabschluss: kein Durchtritt von Flammen, Rauch oder Gasen.

  • EW = Raumabschluss + Strahlungsbegrenzung: wie E, aber die Wärmestrahlung auf der sicheren Seite ist auf höchstens 15 kW/m² begrenzt.

  • EI = Raumabschluss + Wärmedämmung: kein Durchtritt von Flammen, Rauch oder Gasen; zusätzlich wird die Temperatur auf der feuerabgewandten Seite auf maximal 140 °C im Mittel bzw. 180 °C an einer Stelle begrenzt.

Die Feuerwiderstandsdauer wird in Minuten angegeben, z. B. EI 30, EI 60, EI 90 oder EI 120. Für verglaste Türen, Vorhangfassaden oder Dachverglasungen gelten weitere Produktnormen wie EN 16034 (Türen/Fenster mit Feuer- und Rauchschutz) oder EN 1279/EN 14449 für Mehrscheiben‑ und Verbundgläser.


Prüfverfahren und Zulassung

Die Prüfung der Feuerwiderstandsdauer erfolgt in akkreditierten Laboren nach EN 1364‑1 (nichttragende Bauteile) bzw. EN 1634‑1 (Türen, Tore, Fenster). Das komplette Bauelement wird vor einen Brandofen gestellt; besteht es die Prüfung, werden die Ergebnisse in einem Prüfbericht festgehalten, der als Grundlage für Zulassungen dient.

Brandschutzverglasungen sind in Deutschland kennzeichnungspflichtig. Zulässig sind nur Systeme, die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder eine allgemeine Bauartgenehmigung des DIBt besitzen. Die nationale Norm DIN 4102‑13 beschreibt die Prüfung und Zulassung sowohl für G‑ als auch für F‑Verglasungen. Hersteller wie ISOLAR® oder AGC bieten Gläser mit entsprechenden abZ/aBG; die CE‑Kennzeichnung nach der Bauproduktenverordnung ermöglicht den europaweiten Handel.


Aufbau und Funktionsweise


Verbundsystem mit hitzereaktiven Zwischenschichten

Brandschutzgläser bestehen aus mehreren Floatglasscheiben, zwischen denen spezielle Brandschutzschichten eingelagert sind. Bei Produkten wie Pilkington Pyrostop® sind diese Zwischenschichten klar durchsichtig und bilden im Brandfall ein hochwirksames Wärmeschutzschild. Während des normalen Betriebs bleibt das Glas transparent; erst wenn die dem Feuer zugewandte Scheibe bei etwa 120 °C bricht, schäumen die Zwischenschichten auf und bilden einen thermisch isolierenden Block. Dieses Aufschäumen absorbiert die Energie des Brandes, verhindert den Durchtritt von Flammen, Rauch und – bei EI‑Gläsern – von Wärmestrahlung.


Andere Systeme verwenden Hydrogel‑Zwischenschichten: Beim Erwärmen verdampft das in der Gelatine gebundene Wasser, es entsteht eine opake, hitzedämmende Schicht, die den Temperaturanstieg auf der sicheren Seite verlangsamt. Die Schicht reagiert langsam, führt dadurch Hitze ab und schützt die abgewandte Scheibe vor einem frühen Bruch. Verbundsicherheitsglas mit PVB‑Folien (VSG) wird häufig als Basisglas verwendet; die zäh‑elastischen Folien verbinden mehrere Glasscheiben und sorgen dafür, dass das Glas bei Bruch zusammenhält.


Systemkomponenten: Rahmen, Dichtungen und Befestigungen

Eine Brandschutzverglasung ist immer mehr als nur das Glas. Bauaufsichtliche Zulassungen beziehen sich auf das komplette System aus Glas, Rahmenprofilen, Befestigungsmitteln und intumeszierenden Dichtungen. Im Brandfall quellen die Dichtungen auf, verschließen Fugen und verhindern Rauch- und Hitzeeintritt. Die Zulassung gilt nur für die geprüfte Kombination – werden Glas und Rahmen aus unterschiedlichen Systemen kombiniert, verliert die Verglasung ihre Schutzwirkung und Zulassung.


Rahmen können aus Stahl, Aluminium, Holz oder speziell entwickelten Ganzglasprofilen bestehen. Moderne Ganzglaswände verwenden Butt‑Joint‑Systeme mit vertikalen Silikonfugen, wodurch nahezu rahmenlose transparente Brandabschnitte entstehen. Bei Fassade und Dach werden Mehrscheibenisoliergläser mit Brandschutzfunktion eingesetzt; hier müssen der Randverbund und die Halterungen für Wind‑ und Verkehrslasten bemessen werden.


Praktisches Funktionsprinzip

  1. Normalbetrieb: Das Brandschutzglas ist klar und lichtdurchlässig.

  2. Brandbeginn: Die dem Feuer zugewandte Scheibe springt; die intumeszierenden oder hydrogelbasierten Zwischenschichten erwärmen sich.

  3. Aktivierung der Schutzschicht: Ab etwa 120 °C schäumen die Schichten auf und bilden eine opake, hochisolierende Barriere.

  4. Raumabschluss und Isolation: Die Barriere verhindert Flammen- und Rauchdurchtritt. Bei EI‑Verglasungen bleibt die Temperatur auf der sicheren Seite unter den Grenzwerten (140/180 K Anstieg).

  5. Zeitliche Wirkung: Abhängig von der Klassifizierung (z. B. EI 30, EI 60, EI 90, EI 120) hält die Schutzwirkung zwischen 30 und 120 Minuten an. Danach muss die Konstruktion anderweitig abgelöst werden (z. B. durch Feuerwehreinsatz).


Schematische Darstellung von Brandschutzglas mit mehreren Glasscheiben und aufschäumender Zwischenschicht.
Abb. 1: Schematische Darstellung von Brandschutzglas mit mehreren Glasscheiben und aufschäumender Zwischenschicht.

























Einsatzbereiche und Anwendungen


 Sichtverbindung und Tageslicht wichtig sind, gleichzeitig aber Feuer- und Rauchabschlüsse erforderlich sind. Typische Anwendungen sind:

  • Flucht- und Rettungswege: In Treppenhäusern, notwendigen Fluren und Foyers sorgen Brandschutzgläser dafür, dass Personen das Gebäude sicher verlassen können. Gemäß Bauordnungsrecht dürfen F90‑Verglasungen in Brandwände eingesetzt werden, wenn sie für die Nutzung erforderlich sind.

  • Innere Trennwände: In Büros, Kliniken oder Hotels gliedern Brandschutzverglasungen Räume, gewährleisten Sichtkontakt und verhindern die Ausbreitung von Feuer.

  • Türen und Rauchschutzabschlüsse: Verglaste Brandschutztüren kombinieren Raumabschluss mit Transparenz; Seitenteile und Oberlichter dürfen gemäß Musterbauordnung bis zu 2,50 m breit sein.

  • Fassaden und Außenwände: Bei Grenzbebauung und geringem Abstand zwischen Gebäuden schützen Brandschutzverglasungen angrenzende Bauten und verhindern Brandüberschlag.

  • Dachverglasungen und Lichtbänder: Spezielle Brandschutzfenster im Dachbereich sichern Rettungswege und bieten Tageslicht. Systeme ermöglichen großformatige Fassaden bis 2 × 4,5 m.

Diese Vielfalt zeigt, dass Brandschutzglas heute in allen Bauwerksarten – von Schul‑ und Verwaltungsgebäuden über Krankenhäuser bis zu Industriehallen – zum Standard geworden ist.


Gestalterische und sicherheitstechnische Aspekte


Moderne Brandschutzverglasungen verbinden Sicherheit mit Ästhetik. Im Vergleich zu älteren, massiven Feuerschutzabschlüssen schaffen sie lichtdurchflutete Räume und erlauben fließende Übergänge zwischen Bereichen. Wichtige Gestaltungsaspekte sind:

  • Transparente Architektur: Ganzglaswände mit schmalen Fugen oder stoßverklebten Kanten ermöglichen großzügige Sichtachsen. Systeme verzichten auf senkrechte Rahmenprofile und erreichen maximale Transparenz.

  • Farben und Oberflächen: Brandschutzgläser können mit Ornamenten, Strukturen, farbigen Folien oder bedruckten Motiven versehen werden. Dadurch lassen sich Branding, Orientierung oder künstlerische Gestaltung in das Brandschutzkonzept integrieren.

  • Großformate und Butt‑Joint: Hersteller bieten EI 60 oder EI 120‑Gläser in Größen bis 2 × 4,5 m an; Butt‑Joint‑Systeme erlauben rahmenlose Stoßfugen.

  • Kombination mit Zusatzfunktionen: Schallschutz, Sonnenschutz, Einbruchhemmung oder Alarmtechnik lassen sich heute in Brandschutzgläser integrieren.

Architekten sollten allerdings den Brandschutz früh in die Planung einbeziehen; späte Anpassungen führen zu hohen Mehrkosten und können das Design beeinträchtigen.


Planung, Prüfung und Wartung


Planung

  • Systemprüfung und Zulassung: Brandschutzverglasungen dürfen ausschließlich als geprüftes System verwendet werden. Glas, Rahmen, Befestigungen und Dichtungen müssen als Einheit geprüft sein. Der zuständige Hersteller stellt die Prüfberichte bereit, auf deren Basis DIBt‑Zulassungen oder Europäische Technische Bewertungen erteilt werden.

  • Normauswahl: Planer müssen sowohl nationale als auch europäische Normen berücksichtigen. EN 1364‑1 und EN 1634‑1 regeln die Prüfung nichttragender Bauteile; DIN 4102‑13 beschreibt die Prüfverfahren für G‑ und F‑Verglasungen.

  • Dimensionierung: Die Wahl der Feuerwiderstandsklasse richtet sich nach Nutzung, Evakuierungszeiten und Brandlasten. Größere EI‑Klassen erfordern größere Glasdicken und stärkere Rahmenprofile.

  • Anschlüsse und Statik: Anschlüsse an Decken, Wände und Böden müssen brandschutztechnisch durchgängig geplant werden. Statik und Befestigungen sind Teil der Systemzulassung.


Montage und Betrieb

  • Fachgerechte Montage: Nur geschulte Fachbetriebe dürfen Brandschutzverglasungen einbauen. Die Einbauanleitung des Herstellers sowie der Prüfbericht sind einzuhalten; unzulässige Modifikationen führen zum Verlust der Zulassung.

  • Wartung und Kontrolle: Brandschutzgläser sind robust, aber nicht wartungsfrei. Betreiber müssen regelmäßig die Glasoberflächen, intumeszierenden Dichtungen und Rahmen auf Beschädigungen, Kratzer oder Korrosion überprüfen. Mindestens einmal jährlich sind Sichtprüfungen durchzuführen; bei Schäden ist ein sofortiger Austausch notwendig.


Brandschutzverglasungen ermöglichen es, Design und Sicherheit miteinander zu verbinden. Dank hitzereaktiver Zwischenschichten und geprüfter Systemlösungen können Glastrennwände, Fassaden und Türen Brände über definierte Zeiträume abschotten, ohne die Transparenz moderner Architektur zu verlieren. Nationale und europäische Normen wie DIN 4102‑13 und EN 13501‑2 legen klare Anforderungen fest und sorgen dafür, dass nur zugelassene Systeme verwendet werden. Die richtige Planung, Montage und Wartung sind entscheidend für die dauerhafte Funktionsfähigkeit.


Die Feuerwiderstandsklassen (EI 30, EI 60, EI 90, EI 120) definieren die Zeit, in der eine Brandschutzverglasung standhalten muss. Eine detaillierte Übersicht der Klassen und ihrer Leistungsfähigkeit finden Sie auf der Unterseite Feuerwiderstandsklassen EI30–EI120.

Durch ständige Weiterentwicklungen – etwa in Richtung größerer Formate, multifunktionaler Gläser oder nachhaltiger Materialien – wird transparentes Brandschutzglas künftig noch vielfältigere Einsatzmöglichkeiten bieten. Wer frühzeitig plant und auf geprüfte Systeme setzt, schafft sichere und zugleich ästhetisch anspruchsvolle Gebäude.

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