DIN 18008 – Die Glasbau-Norm verständlich erklärt (Teile 1–6, Anwendung & Tipps)
- GlasLotsen

- 1. Okt.
- 8 Min. Lesezeit

Glas sicher bauen dank DIN 18008
Glasfassaden, Dachverglasungen oder bodentiefe Fenster – moderne Architektur setzt auf Glas. Damit solche Bauteile sicher sind, gibt es eine zentrale Norm: DIN 18008 „Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln“. Diese Normenreihe legt fest, wie Glasbauteile berechnet und konstruktiv ausgeführt werden müssen, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Seit ihrer Einführung haben die DIN 18008-Regeln die früheren technischen Richtlinien (TRLV, TRAV, TRPV) abgelöst. In diesem Beitrag erklären wir verständlich und praxisnah, was es mit DIN 18008 auf sich hat, warum sie so wichtig ist, welche Teile (18008-1 bis -6) sie umfasst und wie man sie anwendet.
Was ist DIN 18008? – Definition der Glasbau-Norm
DIN 18008 ist die maßgebliche deutsche Normenreihe für das Bauen mit Glas. Der offizielle Titel lautet „Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln“. Im Kern gibt DIN 18008 vor, wie die Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit von Verglasungen in Bauwerken nachzuweisen sind. Wo früher unterschiedliche „Technische Regeln“ (z. B. die TRLV für linienförmig gelagerte Verglasungen, TRAV für absturzsichernde Verglasungen) galten, fasst die DIN 18008 diese Anforderungen zusammen und passt sie an den aktuellen Stand der Technik an. Seit 2015 ist die Norm in die Landesbauordnungen eingeführt – in allen Bundesländern darf also nur noch nach DIN 18008 bemessen werden. Für Planer und Bauausführende bedeutet das: Jede tragende oder schützende Verglasung (ob Fassade, Glasdach, Brüstungsverglasung etc.) muss nach diesen Regeln statisch nachgewiesen und konstruktiv richtig ausgeführt werden.
Praktisch gesprochen ist DIN 18008 das Regelwerk, das festlegt, wie dick ein Glas sein muss, welche Glasart (z. B. Einscheibensicherheitsglas ESG oder Verbundsicherheitsglas VSG) verwendet werden muss und welche Befestigungen nötig sind, damit das Bauteil sicher funktioniert. Die Norm orientiert sich am Sicherheitskonzept der Eurocodes (semi-probabilistisches Teilsicherheitskonzept) und schreibt beispielsweise vor, dass bestimmte Glasbau-Teile im Bruchfall noch eine Resttragfähigkeit aufweisen müssen – etwa durch VSG, das die Bruchstücke zusammenhält. Kurz gesagt: DIN 18008 ist das „Gesetzbuch“ für tragende Verglasungen im Hochbau.
Warum ist die DIN 18008 so wichtig – und für wen?
Sicherheit geht vor: Glas kann brechen – und wenn es bricht, sollen keine Menschen zu Schaden kommen. DIN 18008 stellt daher sicher, dass z. B. ein Glasgeländer einen Anprall aushält oder eine Überkopfverglasung auch bei Bruch niemanden gefährdet. Die Norm ist wichtig für alle, die mit Verglasungen im Bauwesen zu tun haben:
Architekten und Planer: Sie müssen bereits in der Entwurfs- und Ausführungsplanung berücksichtigen, welche Anforderungen nach DIN 18008 gelten (z. B. Verwendung von Sicherheitsglas in bestimmten Fällen, maximal zulässige Glasgrößen oder Auflagebedingungen). Ohne die Norm zu kennen, laufen sie Gefahr, Lösungen zu planen, die nicht genehmigungsfähig sind oder die Verkehrssicherheit gefährden.
Statiker / Tragwerksplaner: Die rechnerische Bemessung der Glasdicke und -befestigung erfolgt nach den in DIN 18008 definierten Lastannahmen und Nachweismethoden. Für den statischen Nachweis von Glas ist DIN 18008 in Deutschland das einzige anerkannte Regelwerk. Das heißt, Statiker müssen die Norm anwenden, um die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Glasbauteilen nachzuweisen.
Fassadenbauer, Glasereibetriebe und ausführende Fachbetriebe: Sie sind dafür verantwortlich, dass die verbauten Glaselemente den „anerkannten Regeln der Technik“ entsprechen – also nach DIN 18008 bemessen und ausgeführt sind. Tun sie das nicht, drohen Haftungsprobleme: Der Fachbetrieb haftet seinem Kunden gegenüber für die Einhaltung der Norm. Falsch dimensionierte Verglasungen können im Schadensfall ein juristisches Nachspiel haben, z. B. wenn eine Scheibe aufgrund unzureichender Dimensionierung bricht.
Bauaufsicht und Gesetzgeber: Die öffentliche Hand hat DIN 18008 bauaufsichtlich eingeführt, weil sie damit einheitliche Sicherheitsstandards für Glas im Bauwesen sicherstellt. Bauämter verlangen in der Regel den Nachweis nach DIN 18008, bevor sie eine Verglasung genehmigen.
Bauherren und Immobilienbesitzer: Indirekt profitieren auch sie – eine Bauausführung nach DIN 18008 bedeutet eine geringere Unfallgefahr und schützt vor Folgekosten. Allerdings müssen Bauherren auch die ggf. höheren Kosten für Sicherheitsglas oder aufwendigere Befestigungen einplanen, die die Norm erfordert.
DIN 18008 ist nicht nur „irgendeine Norm“, sondern ein zentraler Sicherheitsstandard im Bauwesen. Wer Glas plant oder verbaut, muss sie kennen und anwenden. Seit Mai 2020 liegen die Teile 1 und 2 in überarbeiteter Fassung vor und sind in allen Bundesländern verbindlich eingeführt. Die überarbeiteten Teile 3–5 wurden Ende 2024 veröffentlicht und werden voraussichtlich ab 2025 ebenfalls bauaufsichtlich eingeführt. Dadurch bleibt die Norm aktuell und integriert neueste Erkenntnisse aus Praxis und Forschung.
DIN 18008 im Überblick: Normteile 1 bis 6 und was sie regeln
Die Normenreihe DIN 18008 besteht aus sechs Teilen, die jeweils bestimmte Anwendungsbereiche abdecken. Zusammen ergeben sie ein vollständiges Regelwerk für alle üblichen Situationen, in denen Glas als tragendes oder schützendes Bauteil eingesetzt wird. Hier ein kurzer Überblick der Teile 1–6 und ihrer Inhalte:
Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen – In Teil 1 werden die Grundlagen für alle weiteren Teile gelegt. Er enthält Definitionen wichtiger Begriffe, allgemeine Bemessungsregeln und das Sicherheitskonzept. Beispielsweise werden hier Lastfälle, Nachweiskonzepte (Grenzzustände) und grundlegende konstruktive Anforderungen (etwa zulässige Glasarten, Lagerungsarten) beschrieben. Ohne Teil 1 lassen sich die speziellen Anforderungen der folgenden Teile nicht einordnen.
Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen – Dieser Teil gilt für Glas, das entlang einer oder mehrerer Kanten gelagert bzw. gehalten wird. Klassische Beispiele sind Fensterscheiben, Fassadengläser in Rahmenprofilen oder Verglasungen von Überdachungen, die an ihren Rändern in einer Halterung liegen. Teil 2 definiert u. a. zulässige Durchbiegungen, Glasdicken und erforderliche Glasaufbauten für solche Verglasungen. Auch besondere Fälle wie Überkopfverglasungen (z. B. Glasdächer) werden hier mit zusätzlichen Anforderungen (z. B. bezüglich Resttragfähigkeit) behandelt.
Teil 3: Punktförmig gelagerte Verglasungen – Hier geht es um Verglasungen, die punktuell befestigt sind, etwa mittels Punkthaltern, Klemmhaltern oder ähnlichen Beschlägen (bekannt z. B. von Ganzglasfassaden mit „Spiders“). Teil 3 stellt sicher, dass um die Bohrlöcher oder Klemmstellen keine Überlastungen auftreten. Er enthält Regeln zur Mindestabstand der Bohrlöcher vom Glaseck, zu zulässigen Spannungen im Glas an den Halterungen und zur Konstruktion der Halter selbst. Neu in der Überarbeitung 2024 ist etwa die Unterscheidung von Tellerhaltern vs. Senkkopfhaltern und überarbeitete Anforderungen an Bohrungsabstände.
Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen – Teil 4 kommt ins Spiel, wenn Glas als Absturzsicherung dient, also beispielsweise bei Brüstungsverglasungen, Glasgeländern oder Fensterbrüstungen ohne zusätzliches Geländer. Hier definiert die Norm zusätzliche Sicherheitsanforderungen: Verglasungen werden Kategorien (A, B, C1–C3) zugeordnet, abhängig von Einbausituation und Lastabtragung, und es muss ein Pendelschlagversuch (ein simulierter Aufprall) oder ein gleichwertiger Nachweis geführt werden. Die Norm regelt, wie hoch die auftreffende Energie sein muss und wann ein Glas als durchbruchsicher gilt. Für den Planer bedeutet das: Glasbrüstungen müssen entweder baulich so ausgeführt sein oder mittels Prüfung nachweisen, dass sie einen menschlichen Aufprall aushalten. (Fun Fact: DIN 18008-4 basiert in vielen Teilen auf der früheren TRAV, der Technischen Regel für absturzsichernde Verglasungen.) Die Überarbeitung 2024 bringt klarere Klassifikationen für Glasbrüstungen und deren Befestigung.
Teil 5: Zusatzanforderungen an begehbare Verglasungen – Dieser Teil behandelt Verglasungen, auf die Personen treten können. Typische Beispiele: Glasböden, begehbare Glasdecken oder Glasstufen. Hier gelten zusätzliche Anforderungen an Tragfähigkeit und Rutschhemmung. DIN 18008-5 schreibt zum Beispiel vor, dass begehbares Glas immer aus Verbundsicherheitsglas bestehen muss (damit bei Bruch niemand durchfällt) und definiert die Verkehrslasten, die ein Glasboden tragen können muss. Auch Prüfmethoden (Pendelschlag für Stoßsicherheit von oben) sind enthalten. In der Neuausgabe 2024 wurde Teil 5 redaktionell überarbeitet und gilt nun für alle begehbaren Verglasungen im normalen Gebrauch (auch solche, die nur gelegentlich begangen werden).
Teil 6: Zusatzanforderungen an bei Instandhaltungsmaßnahmen betretbare und durchsturzsichere Verglasungen – Teil 6 ist der neueste Teil der Norm und behandelt Verglasungen, die im Rahmen von Wartung oder Reinigung betreten werden dürfen (z. B. Lichtkuppeln, Glasflächen auf Dächern, die ein Monteur begehen muss) und solche, die bei einem Sturz von oben nicht durchbrochen werden (durchsturzsicher). Man könnte sagen, es geht um Glas, das nicht regulär begangen wird, aber im Falle eines Falles Menschen tragen oder auffangen soll. Teil 6 stellt sicher, dass solche Scheiben entweder die gleiche Sicherheit wie begehbares Glas bieten (wenn man drauftritt, trägt es einen) oder zumindest ein Durchstürzen verhindert wird. Dieser Teil liegt seit 2018 im Weißdruck vor, ist allerdings (Stand Anfang 2025) bauaufsichtlich noch nicht in allen Bundesländern eingeführt. In der Praxis wird er oft für Wartungsstege aus Glas oder begehbare Oberlichter herangezogen, um Planern klare Vorgaben zu geben.
Hinweis: Die DIN 18008 wurde in den letzten Jahren laufend aktualisiert. Teil 1 und 2 erschienen in überarbeiteter Fassung 2020; die Teile 3 bis 5 wurden nach längerer Überarbeitungszeit im Dezember 2024 neu veröffentlicht. Bei Verwendung der Norm sollte man daher stets auf den aktuellen Ausgabestand achten. Die neuen Versionen integrieren Praxiserfahrungen und Forschungsergebnisse – z. B. wurden in Teil 3 neue Halterungsdetails ergänzt und in Teil 4/5 Klarstellungen zur Einteilung und zu Prüfkriterien vorgenommen. Langfristig gilt DIN 18008 als Vorläufer für einen europäischen Glasbau-Eurocode (EN 19100), der in den kommenden Jahren erwartet wird. Bis dahin bleibt DIN 18008 das maßgebliche Regelwerk in Deutschland.

Praxisnah erklärt: Wie wendet man DIN 18008 an?
Theorie ist das eine – aber wie macht sich DIN 18008 in der Praxis bemerkbar? Hier ein paar typische Szenarien, um die Norm greifbarer zu machen:
Bodentiefe Fenster in einem Wohnhaus: Stellen Sie sich eine große Terrassentür vor, die bis zum Boden verglast ist. Ohne Weiteres könnte jemand dagegenlaufen oder -fallen und herausstürzen. DIN 18008-4 verlangt für solche Fälle entweder absturzsicherndes Glas (meist Verbundsicherheitsglas mit ausreichend Dicke) oder andere Schutzmaßnahmen. In der Praxis bedeutet das: Der Architekt muss prüfen, ob die Fensterbrüstung hoch genug ist oder ob VSG eingesetzt werden muss. Der Statiker berechnet ggf. die Glasdicke nach Teil 2 (Linienlager) und berücksichtigt zusätzliche Lasten nach Teil 4 (Anpralllasten). Ergebnis: Entweder ein VSG aus z. B. 2 × 6 mm mit Zwischenfolie, das im Bruchfall hält, oder ein normales Glas plus ein vorgesetztes Geländer. Für den Laien mag das nicht sichtbar sein, aber es entscheidet über die Sicherheit, ob bei Bruch Splitter entstehen oder die Scheibe als Ganzes hält.
Glasgeländer am Balkon: Ein weiteres Beispiel ist ein moderner Balkon mit Ganzglasgeländer (ohne Rahmen, nur Glasplatten). Hier greift Teil 4 voll: Die Geländer müssen einen Pendelschlagtest bestehen oder nachweisen, dass sie die vorgeschriebene Stoßenergie aushalten. Praktisch heißt das: Hersteller solcher Geländersysteme lassen ihre Konstruktionen testen (ein Pendel mit 50 kg schlägt gegen das Glas). Alternativ dürfen die Geländer bestimmte konstruktive Bedingungen einhalten (z. B. ausreichend dickes VSG, bestimmte Halterungen), um ohne Einzelprüfung als sicher zu gelten. Für den Monteur vor Ort ist wichtig: Er darf nur zugelassene Systeme verbauen, sonst macht er sich haftbar. Für den Bauherrn bedeutet es: Sicheres Glasgeländer ist etwas teurer, aber unverzichtbar, damit niemand abstürzt.
Überkopfverglasung (Glasdach): Wer eine Glasüberdachung oder ein Atriumdach aus Glas plant, muss Teil 2 (linienförmige Lagerung) plus besondere Anforderungen beachten. DIN 18008 schreibt vor, dass Überkopf-Verglasungen immer aus VSG bestehen müssen – damit im Bruchfall keine großen Glasscherben herunterfallen. Außerdem darf die Durchbiegung unter Schneelast gewisse Grenzwerte nicht überschreiten, damit keine Dauerverformungen auftreten. Ein Tragwerksplaner rechnet hier z. B. die Schneelast nach Eurocode, wendet DIN 18008 an, um die benötigte Glasdicke zu ermitteln (oft ein Verbund aus zwei TVG/ESG-Scheiben), und prüft, ob eventuell eine Resttragfähigkeit nachzuweisen ist. In der Praxis gibt es für solche Dachverglasungen häufig allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen oder Typenstatiken, die auf Basis von DIN 18008 erstellt wurden, sodass nicht jedes Dach neu getestet werden muss.
Begehbares Glas im Boden: Ein Glasboden oder ein Deckenelement aus Glas (z. B. als Schaufenster im Boden eines Museums) unterliegt Teil 5. Praktisch heißt das, dass mindestens eine dreifache Sicherheit eingeplant wird: Das Glas besteht aus mehreren Scheiben (meist VSG aus zwei oder mehr Scheiben), die so dimensioniert sind, dass selbst wenn eine Schicht versagt, die anderen noch die Last tragen (Resttragfähigkeit). Ein Ingenieur wird hier die Nutzlast (z. B. 5 kN/m² für Personenlast) ansetzen und nach DIN 18008-5 den erforderlichen Glasaufbau berechnen. Oft werden solche Verglasungen auch probeweise belastet, um die Berechnungen zu verifizieren. Für den Bauherrn ist wichtig: Solches Spezialglas muss vom Fachplaner kommen – einfaches Acrylglas oder nur eine einzelne Scheibe wären lebensgefährlich.
Diese Beispiele zeigen: DIN 18008 wirkt im Hintergrund, damit moderne Glaskonstruktionen sicher funktionieren. Als Laie bekommt man davon nur indirekt etwas mit – etwa an dem kleinen Aufkleber „VSG“ in der Fensterscheibe oder daran, dass ein Glasboden etwas mehr federt (weil er elastisch nachgeben muss, statt spröde zu brechen). Für Profis ist die Norm tägliches Handwerkszeug: Sie berechnen mithilfe von Software oder Tabellen die Glasdicken, prüfen die Befestigungspunkte und sorgen dafür, dass im Zweifel eher die Kosten steigen (dickere/hochwertigere Gläser), aber die Sicherheit gewährleistet bleibt. Eine menschliche Ansprache im Umgang mit der Norm bedeutet auch, dem Kunden zu erklären, warum z. B. sein 3 m² großes Wohnzimmerfenster in VSG ausgeführt werden muss – weil die Norm es so vorgibt, um seine Familie zu schützen. Hier hilft es, Vergleichsbeispiele zu nennen (etwa: „Stellen Sie sich vor, die Scheibe würde zersplittern – dank VSG bleibt sie rissig, aber im Rahmen hängen, anstatt als Scherbenregen herunterzufallen.“). So wird die technische Norm auch für Nicht-Techniker nachvollziehbar.




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