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Barrierefreiheit durch Glastrennwände

Barrierefreiheit durch Glastrennwände

Glastrennwände werden in der Architektur meist als ästhetisches Element wahrgenommen: transparent, leicht, zurückhaltend. Mit dem demografischen Wandel, neuen gesetzlichen Vorgaben zur Gleichstellung und dem wachsenden Anspruch, Gebäude nach den Prinzipien des Universal Design zu planen, rückt jedoch ein weiterer Aspekt in den Vordergrund: Barrierefreiheit.


Zugleich sind Glastrennwände in barrierefrei konzipierten Gebäuden kaum zu ersetzen. Ohne transparente Bauteile lassen sich viele Anforderungen aus der DIN 18040 – etwa in Bezug auf Orientierung, Lichtführung, Sicherheit und Sichtbeziehungen – nur schwer erreichen.


Die Herausforderung dabei: Glas bietet zwar Transparenz, kann aber gleichzeitig zur unsichtbaren Barriere werden. Besonders Menschen mit Sehbehinderung sind gefährdet, wenn Glaselemente nicht eindeutig erkennbar sind – etwa durch fehlende Kontraste, unzureichende Markierungen oder ungünstige Platzierung.

Der planerische Anspruch lautet daher:

Barrierefreiheit mit Glas bedeutet, transparente Räume so zu gestalten, dass sie sicher, intuitiv nutzbar und inklusiv sind – ohne den architektonischen Anspruch zu verlieren.

Grundlagen: Barrierefreiheit, DIN 18040 und Universal Design


Was definiert die DIN 18040?

Die Normenreihe DIN 18040 „Barrierefreies Bauen“ legt fest, wie Gebäude gestaltet sein müssen, damit sie ohne besondere Erschwernis und in der üblichen Weise genutzt werden können. Sie gliedert sich in:

  • DIN 18040-1: öffentlich zugängliche Gebäude

  • DIN 18040-2: Wohnungen

  • DIN 18040-3: öffentlicher Verkehrs- und Freiraum

Für den Einsatz von Glastrennwänden sind insbesondere folgende Aspekte relevant:

  • Anforderungen an Türbreiten, Bewegungsflächen und Schwellen

  • Anforderungen an visuelle Wahrnehmung, Kontrast und Sichtmarkierungen

  • Anforderungen an Griffhöhen und Bedienkräfte


Universal Design: Lösungen für alle

Aktuelle Fachveröffentlichungen betonen zunehmend, dass Barrierefreiheit kein Sonderweg ist, sondern ein Mehrwert für die gesamte Nutzergruppe.

Übertragen auf Glastrennwände bedeutet das:

  • Türen und Durchgänge müssen für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen klar erkennbar sein.

  • Bewegungsflächen und schwellenlose Anschlüsse ermöglichen komfortable Nutzung für Rollstuhlfahrende und Personen mit Gehhilfen.

  • Transparenz unterstützt Orientierung und Lichtqualität für alle.


Technische Funktion: Orientierung, Sicherheit und Wahrnehmung


Wie Glas zur Barrierefreiheit beiträgt

Richtig geplant, bieten Glastrennwände zahlreiche Vorteile:

  • Tageslichtlenkung: Glashellt Flure, Übergänge und Orientierungspunkte sichtbar auf.

  • Sichtbeziehungen: Transparenz unterstützt die Orientierung und hilft, Zielräume besser zu finden.

  • Sicherheit: Einsehbare Bereiche ermöglichen bessere Übersicht und erhöhen das subjektive Sicherheitsgefühl.

  • Flexibilität: Modulare Glaswände lassen sich an veränderte Nutzungen anpassen.


Die unsichtbare Barriere: Kollisionsrisiken

Probleme entstehen, wenn Glasflächen nicht eindeutig wahrnehmbar sind:

  • Glastüren werden übersehen und führen zu Zusammenstößen.

  • Bodentiefe Verglasungen werden fälschlich als Durchgänge interpretiert.

  • Spiegelnde Oberflächen erschweren die Orientierung.

Deshalb fordert die DIN 18040 – ergänzt durch die europäische Norm DIN EN 17210 – kontrastreiche, dauerhafte Sichtmarkierungen in definierten Höhen.


Normen & Recht: Anforderungen für Glaselemente und Türen


Welche Vorgaben macht DIN 18040 zu Türen?

Für barrierefreie Türen gelten (je nach Nutzungskontext):

  • Lichte Breite: mind. ca. 90 cm

  • Lichte Höhe: mind. ca. 205 cm

  • Schwellen: vermeiden; wenn unvermeidbar, max. ca. 2 cm

  • Griffhöhen: ca. 85–105 cm

  • Bewegungsflächen: ausreichend Platz zum Wenden, Öffnen und Schließen

Türen müssen außerdem deutlich wahrnehmbar, leicht bedienbar und sicher passierbar sein.


Sichtmarkierungen an Glas

Normen empfehlen:

  • Markierungsstreifen mit mind. 75 mm Höhe

  • zwei Höhenbereiche: 900–1.000 mm sowie 1.500–1.600 mm

  • ausreichender Leuchtdichtekontrast

  • dauerhaft und gut sichtbar

Ziel ist, dass sowohl stehende als auch sitzende Personen Glaselemente zuverlässig erkennen.


Glas im Sanitärbereich

Für barrierefreie Sanitärräume fordert die DIN 18040 u. a.:

  • klar erkennbare Markierungen an Glas-Duschtrennwänden

  • schwellenlose Übergänge

  • ausreichend Bewegungsfläche

Optional ergänzen halbhohe Glaslösungen (z. B. 100 cm Spritzschutz) Bedienkomfort und Pflegefreundlichkeit.


Kontrastgestaltung: Glas sichtbar machen


Warum Kontrast entscheidend ist

Personen mit Sehbehinderung orientieren sich primär über Hell-Dunkel-Kontraste. Fehlen diese, wird Glas schnell zu einer nicht erkennbaren Gefahr.

Empfohlen wird daher:

  • Rahmen, Profile und Drücker, die sich eindeutig vom Umfeld abheben

  • matte, wenig reflektierende Oberflächen

  • Markierungsbänder mit klarer Abgrenzung zum Hintergrund


Gestaltungsmöglichkeiten

  • Profile & Rahmen:

    • dunkler oder heller als Wandflächen

    • mit klarer Kontur

  • Türflügel & Glaskanten:

    • vertikale Akzentlinien oder dezente Kontraste

    • farbig abgesetzte Beschläge

  • Markierungen:

    • horizontale Bänder, ggf. ergänzt durch Symbole oder Piktogramme

  • Boden & Wandanschlüsse:

    • klare Trennlinien und kontrastierende Beläge

    • keine „nahtlosen“ Übergänge ohne visuelle Ankerpunkte


Türsysteme: Welche Lösungen eignen sich?


Barrierefrei geeignete Türtypen

  • Manuelle Drehtüren: geeignet, wenn normgerecht geplant

  • Automatische Drehtüren: hoher Komfort, besonders bei Publikumsverkehr

  • Automatische Schiebetüren: sehr gut geeignet, da sie keinen Schwenkbereich benötigen

  • Pendeltüren: nur eingeschränkt geeignet, wegen unkontrollierter Bewegungen


Beschläge & Bedienbarkeit

  • gut greifbare Griffe ohne scharfe Kanten

  • angenehme, wenig reflektierende Materialien

  • deutliche Kontraste zum Glas

  • geringe Bedienkräfte oder Automatikfunktionen zur Unterstützung


Wirtschaftlichkeit: Kosten, Nutzen und Lebenszyklus


Barrierefreie Glastrennwände müssen kein Kostentreiber sein. Viele Anforderungen entsprechen ohnehin zeitgemäßer, hochwertiger Architektur – etwa schwellenlose Übergänge oder großzügige Bewegungsflächen.

Mehrkosten entstehen tendenziell durch:

  • Automatik- und Sicherheitstechnik

  • hochwertige Markierungen oder keramische Aufdrucke

  • zusätzliche Planungsleistungen


Der Nutzen überwiegt jedoch:

  • höhere Flexibilität und Drittverwendungsmöglichkeiten

  • bessere Vermietbarkeit

  • rechtliche Sicherheit bei öffentlich zugänglichen Bereichen


Planung & Umsetzung: So gelingt die barrierefreie Glastrennwand


Empfohlener Planungsprozess:

  1. Nutzeranalyse: Welche Einschränkungen sind möglich?

  2. Normenprüfung: DIN 18040, DIN EN 17210, ergänzende Vorgaben

  3. Bewegungsflächen: Engstellen vermeiden, Fluchtwege berücksichtigen

  4. Türsysteme: Auswahl nach Nutzerprofil und Nutzungshäufigkeit

  5. Kontrastkonzept: Markierungshöhen, Farbkontraste, Materialien

  6. Sicherheitsglas: ESG/VSG entsprechend Nutzung

  7. Bemusterung: reale Glasachsen aufbauen, Nutzerfeedback einholen


Checkliste auf einen Blick

  • Türbreiten mind. 90 cm

  • Schwellen maximal 2 cm

  • Markierungen in zwei Höhen

  • klare Kontraste bei Rahmen und Griffen

  • ausreichende Bewegungsflächen

  • geeignete Türsysteme

  • Sicherheitsgläser (ESG/VSG) je nach Einsatz


Nachhaltigkeit & Zukunft: Inklusive und smarte Glasarchitektur


Barrierefreie Glaslösungen unterstützen ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit:

  • Transparenz reduziert Kunstlichtbedarf

  • flexible Grundrisse verlängern Nutzungszyklen

  • inklusive Gestaltung erhöht die Nutzungsvielfalt


Zukunftstrends

  • schaltbare Gläser für variablen Sichtschutz

  • intelligente Sensortechnik für automatische Türen

  • digitale Leitsysteme in Kombination mit visuellen Markierungen


Glastrennwände bewusst als barrierefreies Gestaltungselement nutzen


Transparenz und Barrierefreiheit schließen sich nicht aus – im Gegenteil: Glastrennwände gehören zu den wichtigsten Werkzeugen, um moderne, inklusive und lichtdurchflutete Gebäude zu realisieren. Entscheidend ist, dass Transparenz so gestaltet wird, dass sie erkennbar, sicher und intuitiv nutzbar bleibt.


Wer Barrierefreiheit früh mitdenkt, schafft Räume, die für alle funktionieren – heute und langfristig.


FAQ: Barrierefreiheit und Glastrennwände


1. Wann benötigen Glastrennwände Sichtmarkierungen?

Sichtmarkierungen sind immer dann erforderlich, wenn Glasflächen in Verkehrswegen liegen oder als Durchgänge missverstanden werden können. Markierungsbänder in zwei Höhen sorgen dafür, dass Glastüren und -wände auch von Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen sicher erkannt werden.

2. Welche Türbreite gilt als barrierefrei nach DIN 18040?

Barrierefreie Türen sollten in der Regel eine lichte Durchgangsbreite von mindestens etwa 90 cm aufweisen. Diese Breite ermöglicht Rollstuhlnutzenden und Personen mit Gehhilfen ein komfortables und sicheres Passieren.

3. Sind Pendeltüren in barrierefreien Gebäuden geeignet?

Pendeltüren gelten als problematisch, da sie unkontrolliert in beide Richtungen ausschlagen können. Für barrierefreie Zugänge werden daher meist andere Türsysteme empfohlen, etwa manuelle Drehtüren oder automatische Schiebe- und Drehflügeltüren.

4. Welche Anforderungen gelten für Glastrennwände in Sanitärräumen?

In barrierefreien Sanitärräumen müssen Glasabtrennungen klar markiert, gut wahrnehmbar und schwellenlos zugänglich sein. Die DIN 18040 empfiehlt zusätzlich ausreichende Bewegungsflächen sowie Markierungen, die sich deutlich von Wand und Boden abheben.

5. Wie lässt sich sicherstellen, dass Glastrennwände normgerecht barrierefrei geplant sind?

Eine zuverlässige Planung kombiniert Normenkenntnis, funktionale Analyse, Kontrastgestaltung und eine klare Türsystemwahl. Bemusterungen und Feedback von Nutzergruppen oder Fachberatungsstellen helfen zusätzlich, praxisgerechte Lösungen zu entwickeln.


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